Reise in die Angst : Roman. - gebunden oder broschiert

Reise in die Angst, Ein literarischer Road Movie für melancholische Choleriker und lebenslustige Romantiker. Eine Verfolgungsjagd rund um die Welt, unterbrochen von ausführlichen Reflexionen über Liebe, Tod und Schuld. Ein Buch über das Schreiben. Und eine Liebesgeschichte, deren Held sich nicht mehr für die Liebe interessiert, obwohl er für die Frauen gemacht wurde. Günter Ohnemus' Reise in die Angst ist vieles zugleich. Vor allem aber -- und das mag bei diesen Themen erstaunen -- ein leicht zu lesendes Buch. Obwohl es viel abgründiger angelegt ist als sein erster, vergleichsweise sonniger Roman (Der Tiger auf deiner Schulter), dessen Schattenseite Reise in die Angst gleichsam ins Visier nimmt.

Harry Willemer fährt seit 30 Jahren Taxi. Davor, als das Wünschen noch geholfen hat, war Harry Schriftsteller. Aber das ist lange her, so lange wie die Trennung von Frau und Kind. Seine Berufung hat er drangegeben, den Hausrat verkauft oder verbrannt, damit er sich ganz auf das konzentrieren kann, was ihn als Einziges noch interessiert: seine Erinnerungen -- und die Gedanken an Schuld und Tod. Bis eines Donnerstags diese junge Russin bei ihm einsteigt und zum Flughafen gebracht werden will. Sonja ist auf der Flucht vor der Mafia -- und hat vier Millionen Dollar im Gepäck. Ehe Harry weiß, wie ihm geschieht, befindet er sich mit ihr auf der Flucht. Die Ereignisse überstürzen sich, und bald gibt es kein Zurück mehr.

Auf der Flucht vor der Mafia durchlebt Harry nun selbst das existenzielle Gefühl, über das er bislang immer nur gegrübelt hat. Ein Gefühl, das die Liebe seines Lebens zerstört und ihn quasi zum Mönch gemacht hat: Angst. "Ich wußte, daß ich nie wieder mit einer Frau zusammen in einem Zimmer sein konnte, weil es gar nicht die Möglichkeit geben durfte, daß noch einmal eine Frau Angst vor mir hatte." Aber die Notwendigkeit zum steten Ortswechsel bedeutet nicht nur, dass Harry wieder mit einer Frau -- Sonja -- in einem Zimmer schlafen muss, sondern dass sein ganzes Leben noch einmal in Bewegung kommt. Der Wunsch zu überleben bringt auch das Bedürfnis zu schreiben zurück. So ist Reise in die Angst auch das Protokoll einer Selbstvergewisserung.

Trotz der Leichtigkeit des Tons -- die schon bei Ohnemus' Erzählbänden Zähneputzen in Helsinki, Die letzten großen Ferien und Siebenundsechzig Ansichten einer Frau hinriss -- ein irritierendes Buch. Zeigt es doch, dass die Liebe und der Blick für die Poesie des Alltags, das erzählerische Kraftzentrum von Ohnemus' bisheriger Prosa, die Destruktivität des Menschen immer nur augenblicksweise vergessen machen können. Und dass die Gier nach geglückten Momenten womöglich selbst den Kern der Zerstörungskraft birgt. --Axel Henrici