KinderBlicke : Kindheit und Moderne von Klee bis Boltanski , [zur Ausstellung "KinderBlicke - Kindheit und Moderne von Klee bis Boltanski" in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen vom 7. Juli bis 16. September 2001]. [Hrsg.: Kultur- und Sportamt der Stadt Bietigheim-Bissingen - Städtische Galerie. Katalog: , Isabell Schenk. Mitarb.: Lieselotte Hahn und Angelika Hafner-Drese] - gebrauchtes Buch

Es ist ein immer wieder gern benutzter Gemeinplatz, dass der Künstler mit den fantasievollen Augen des Kindes der Welt neue Aspekte abgewinne. "Der Kindheit ihr Nachschimmer" (Jean Paul) leuchtet offenbar vor allem im Blick von Dichtern, Bildhauern und Malern hell, und wo vor einem Verschwinden der Kindheit im neuen Jahrtausend gewarnt wird, scheint die inventarisierend-ästhetische Auseinandersetzung etwa von Christian Boltanski oder Marie-Jo Lafontaine gleich doppelt wichtig zu sein.

Christoph Kolumbus habe Amerika entdeckt, behauptete einst Victor Hugo, und er in seinen Romanen die Kinderzeit. Das ist beides so nicht richtig, und Hugo wusste selbst, dass auch vor ihm schon Dichter über Kinder geschrieben hatten. In der bildenden Kunst der Moderne aber hat das Bild vom Kind tatsächlich einen wachsenden Stellenwert eingenommen. Dies zeigt jetzt der schöne Band KinderBlicke: Da finden sich idyllische, in unschuldiges Licht getauchte Schul- und Konfirmationsbilder Max Liebermanns neben den zerstörten Puppen von Proletariernachwuchs auf Porträts der Neuen Sachlichkeit oder den grausam-grotesken Plüschtierarrangements von Mariusz Kruk. Ein Kapitel ist den Spielzeugentwürfen des Bauhauses um Alma Siedhoff-Buscher, Oskar Schlemmer oder Lyonel Feininger gewidmet -- hier sollte Gebrauchskunst für Kinder nutzbar werden. Und natürlich fehlt auch Picasso nicht, der sich der Kindlichkeit wohl am intensivsten verschrieb.

Wenn die Moderne auch die Kindheit als Motiv nicht erfunden hat, so hat sie doch zumindest die Naivität der Kinderzeichnung für sich entdeckt. Auch diesem Aspekt geht KinderBlicke nach und untersucht anhand der erfrischend ungelenken Kritzeleien aus dem Umfeld des Blauen Reiters deren Einfluss auf die Gemälde von Wassily Kandinski oder Gabriele Münter. Dies sind die überraschendsten, erhellendsten Augenblicke des Buches. Und allein schon dafür lohnt sich seine Anschaffung allemal. --Thomas Köster