DAS STREIFLICHTBUCH Handreichungen und Fingerzeige aus der Suddeutschen Zeitung - Taschenbuch

Heute wollen wir uns an dieser Stelle einer Frage zuwenden, die die Menschheit schon seit geraumer Zeit in Atem hält: Wer verfasst eigentlich das "Streiflicht", jene Kolumne also, die Tag für Tag "links oben" dafür sorgt, dass die Leser der Süddeutschen Zeitung das So-Sein des Weltgeschehens in seiner ganzen Fülle und Bedeutung zu erfassen, ja auf seinen tieferen Sinn hin zu befragen vermögen? Die Gelegenheit, dieses Rätsel zu lüften, nehmen die Herausgeber des Streiflichtbuches nach eigenem Bekunden nur allzu gern wahr. Aber darum geht es ja gar nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. Worum es eigentlich geht -- und hier kommen wir leider um eine kleine Plattheit nicht herum -- ist das Leben selbst. Dieses lässt sich, wenngleich in zahlreichen Variationen, doch auf einen immerwiederkehrenden Kanon an Vorkommnissen und Problemen wenn nicht reduzieren, so doch konzentrieren. Als da wären: das Wetter, GV (im Weltall und auf Erden hienieden), Nacktschnecken, die Deutsche Post (mit AG oder ohne) und die nicht zu bekämpfende Neigung der Menschen, sich selbst und einander immerfort zu belügen und zu betrügen. Ach ja, und den Fußball nicht zu vergessen.

Dieses Buch ist wundervoll und es macht süchtig. Vielleicht, weil die Streiflichter die -- zum Wesen einer Zeitung gehörende -- Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig radikal ignorieren. Die Putzfrauenaffäre des ehemaligen Verkehrsministers Krause (erinnert sich noch jemand?) steht hier neben Erwägungen darüber, wie den hygienischen Folgen der Toilettenbenutzung in fahrenden Zügen Herr zu werden sei. Das offenbar im Spätsommer 1992 verstärkt aufgetretene Phänomen, dass Ehefrauen (oft leicht bekleidet) von ihren Gatten an Autobahnraststätten schlichtweg vergessen wurden, bestätigt Vermutungen, wie schön die Welt wäre, gäbe es außer Männern und Frauen auch Myhle und Wunsen. Mein Lieblingsstreiflicht aber erklärt uns, wozu wir die bayerische Staatsregierung brauchen. Damit der Graureiher in unserem Wohnzimmer nicht an den Ohren friert. Das Leben ist schön. --Anneke Hudalla