Tilo KÖHLER:Comedian Harmonists . Roman
- gebunden oder broschiert 1997, ISBN: 337800603X
[ED: Hardcover/gebunden], [PU: Gustav Kiepenheuer Verlag], Die Comedian Harmonists waren ein international bekanntes Berliner Vokalensemble der Jahre 1928–1935. Es gab zwei direkte … Mehr…
[ED: Hardcover/gebunden], [PU: Gustav Kiepenheuer Verlag], Die Comedian Harmonists waren ein international bekanntes Berliner Vokalensemble der Jahre 1928–1935. Es gab zwei direkte Nachfolgegruppen, das Meistersextett in Deutschland und die Comedy Harmonists im europäischen und weiteren Ausland.
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Am 1. September 1928 war der erste Auftritt in der Revue-Operette Casanova in Charells Großem Schauspielhaus mit einer Zuschauerkapazität von 5000 Sitzplätzen. Das Stück sollte bis Ende Februar 1929 auf dem Spielplan stehen. Wenige Wochen später hatten die Comedian Harmonists mehrere Engagements, und bald engagierten alle renommierten Veranstalter in Berlin die Gruppe.
Im Februar 1929 kam es zu einer Umbesetzung: Walter Nussbaum musste die Gruppe verlassen und wurde zunächst durch Willi Steiner ersetzt. Am 1. März 1929 folgte im Hamburger Hansa-Theater in dieser Besetzung das erste Gastspiel außerhalb Berlins. Steiner erwies sich jedoch als stimmlich unzulänglich und sein Engagement wurde nach den Auftritten im Hansa-Theater aufgelöst. Stattdessen brachte Erwin Bootz mit Erich A. Collin einen früheren Kommilitonen von der Musikhochschule in die Gruppe, der von nun an den Part als Zweiter Tenor übernahm.
Im Laufe des Jahres 1929 ging es nach Hamburg auch in andere deutsche Städte, zum Beispiel nach Köln und Ende 1929 nach Leipzig. Hier erlebte das Sextett am Leipziger Schauspielhaus an der Sophienstraße seinen Durchbruch. Die ausverkauften Abende fanden vor einem begeisterten Publikum statt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Comedian Harmonists lediglich Teil eines größeren Revueprogramms.
Ein erster Radioauftritt fand am 18. Dezember 1929 in der Funk-Stunde Berlin statt. Bei aller Popularität, die durch Grammophonplatten und zahlreiche Rundfunkauftritte gefördert wurde, waren sie doch noch nicht landesweit bekannt. Deshalb bedeutete eine eigene Konzerttournee ein größeres Risiko für die Veranstalter, sodass das Ensemble Säle für die Auftritte selbst zu mieten und sämtliche Veranstalter-Risiken zu tragen hatte. Als erster Auftrittsort für ein erstes eigenes Konzert wurde Leipzig festgelegt, weil man vier Wochen zuvor hier gefeiert worden war. Das wiederholte sich auch bei der Premiere am 26. Januar 1930. Die Popularität hatte rasch zugenommen, und ab 1930 genügte eine Zeitungsnotiz, dass die Comedian Harmonists auftreten würden. Aufwendige Werbung war nicht mehr nötig, meistens waren die Säle ausverkauft.
Konzerte, Schallplattenverkäufe und die Auftritte im noch jungen Tonfilm erbrachten für alle ein hohes Einkommensniveau. In ihren besten Jahren, so erinnert sich Roman Cycowski später, hatte jedes einzelne Mitglied zwischen 40.000 und 60.000 Mark Jahreseinkommen zu versteuern. Lange vor dem ersten Auftritt hatten die Mitglieder des Ensembles einen Vertrag abgeschlossen, der jedem die gleichen Anteile an den Einnahmen sicherte.
Im Jahr 1932 traten die Comedian Harmonists in der Berliner Philharmonie auf, die nicht gerade für Unterhaltungsmusik konzipiert war. Das eher konservative Musikpublikum schien mit dieser „Entweihung“ keine Schwierigkeiten zu haben, denn 2700 Besucher applaudierten enthusiastisch. Von nun an galten die Konzerte der Gruppe als Kunst: Von den Einnahmen war nun keine Vergnügungsteuer mehr an die lokalen Behörden abzuführen.
Mit 150 Konzerten jährlich hatte die musikalische Karriere der Comedian Harmonists 1933 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Zunächst schien sich daran nichts zu ändern. Da die drei Gruppenmitglieder Collin, Frommermann und Cycowski Juden waren, kam es bereits in diesem Jahr zu ersten Absagen vertraglich vereinbarter Konzerte. Erste Einschränkungen brachte das Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933, das u. a. die Errichtung einer Reichsmusikkammer vorsah, Musikern die Mitgliedschaft vorschrieb und eigens zum Zweck der kulturellen „Gleichschaltung“ gegründet wurde. Die Situation verschärfte sich, nachdem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ab dem 5. März 1934 die Verordnung auf Pflichtmitgliedschaft erlassen hatte, die mit dem Ariernachweis verbunden wurde. Die Gruppe erhielt letztlich jedoch eine Sondergenehmigung bis zum 1. Mai 1934, um ihre Konzertverpflichtungen der laufenden Tournee erfüllen zu können, die teils jedoch von organisierten Protesten nationalsozialistischer Gruppen begleitet wurden.
Als Möglichkeit blieben Konzerte im Ausland. Die Harmonists reisten in den letzten Monaten ihres Bestehens ab April 1934 nach Dänemark, Norwegen und in die USA, wo die Gruppe im New Yorker Hafen vor der versammelten Atlantik- und Pazifikflotte auf dem Flugzeugträger USS Saratoga sowie über 30 Mal im Rundfunk auftrat. Teilweise traten sie gemeinsam mit den Boswell Sisters und dem damals führenden Orchester von Paul Whiteman auf. Auf die Rückkehr nach Berlin im August 1934 und weitere Schallplattenaufnahmen folgte im November eine Tournee durch das faschistische, aber nicht antisemitische Italien. Im Februar 1935 kam es in Norwegen zum letzten öffentlichen Auftritt der Comedian Harmonists. Am 13. Februar 1935 nahmen sie im Electrola-Studio in Berlin den vielsagenden Titel Morgen muß ich fort von hier / Am Brunnen vor dem Tore (EG #3282) auf – ihre letzte legale gemeinsame Plattenproduktion. Am 1. März 1935 folgte noch eine weitere, bereits illegale Studiosession mit Jacques Offenbachs Barcarole und Brahms’ Ungarischem Tanz Nr. 5 (EG #3303).
Tage zuvor waren die unbehelligt gebliebenen Mitglieder Biberti, Bootz und Leschnikoff durch ein Schreiben der Reichsmusikkammer vom 22. Februar 1935 in ebendiese aufgenommen worden, allerdings an das Verbot geknüpft, „noch weiterhin mit diesen Nichtariern zu musizieren. Jedoch bleibt es Ihnen unbenommen, mit anderen arischen Musikern nach Zulegung eines deutschen Namens […] Ihre musikalische Tätigkeit auszuüben.“
Zugleich wurden mit diesem Schreiben den verbliebenen Sängern Collin, Frommermann und Cycowski wegen ihrer jüdischen Herkunft ausdrücklich Berufsverbote erteilt. Kurz darauf einigte man sich, aus dem erzwungenermaßen zweigeteilten Ensemble zwei eigene Gruppen zu formieren, die beide weiter unter dem bisherigen Namen auftreten sollten: die eine weiter im Deutschen Reich, die andere nur noch im Ausland.
Mit Datum vom 21. November 1935 wurde den in Deutschland gebliebenen Sängern von der Reichsmusikkammer gestattet, sich vorläufig ‚Meistersextett, früher Comedian Harmonists‘ zu nennen. Die verbliebenen Mitglieder engagierten Ersatz für die emigrierten Sänger. Die neuen Sänger waren jedoch nicht gleichberechtigte Mitglieder des Ensembles, sondern Angestellte. In der Zeit seines Bestehens änderte sich die Zusammensetzung des Meistersextetts häufig. Im Sommer 1936 war beispielsweise der ehemalige erste Tenor der Kardosch-Sänger, Zeno Coste, für einige Aufnahmen engagiert, darunter Ich wollt’ ich wär ein Huhn und die Tonaufnahmen für den Film Und du mein Schatz fährst mit.
Erste Plattenaufnahmen entstanden bei Electrola am 20. August 1935, von denen Tausendmal war ich im Traum bei Dir / Drüben in der Heimat (EG #3417) als erste veröffentlicht wurde. Am 17. Dezember 1937 verbot eine erlassene Schallplatten-Anordnung den Weitervertrieb aller bisherigen Platten der Comedian Harmonists – die Electrola hatte fast einhundert Aufnahmen der Original-Harmonists im Katalog archiviert –, was auch eine bedeutsame Honorareinbuße mit sich brachte.
Bekannt wurde ihre Fassung von Ich wollt’ ich wär’ ein Huhn (EG #3723), die am 28. August 1936 aufgenommen und ab September 1936 vermarktet wurde. Es handelte sich um eine Coverversion des UFA-Filmschlagers aus dem Film Glückskinder (1936).
Ende 1938 verließ nach künstlerischen Differenzen, insbesondere mit Biberti, der Pianist und musikalische Leiter Bootz die Gruppe und wechselte als Komponist/Texter und musikalischer Leiter zum Berliner Kabarett der Komiker. Rudolf Zeller wurde neuer Pianist, als Arrangeur fungierte insbesondere Bruno Seidler-Winkler, der später als Dirigent beim Soldatenlied Lili Marleen von Lale Andersen tätig war.
Der Niedergang des Sextetts war nicht mehr aufzuhalten. Nach einer letzten Tournee durch Italien lehnte am 26. Mai 1939 die Electrola die Veröffentlichung der Lieder Bel ami und Penny-Serenade mit der Begründung ab: „Es fehlt diesen Aufnahmen an der Lebendigkeit und vortragsmäßigen Differenzierung und Ausgeglichenheit“. Als Biberti sich immer stärker als Gründer und künstlerischer Leiter artikulierte, wuchsen die Konflikte mit dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied Ari Leschnikoff und den neuen Mitgliedern wie kurzzeitig Hans von Bachmayr-Heyda. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Situation der Gruppe immer unübersichtlicher, und letztlich hatte Biberti alle Verträge gekündigt. Diese verworrene Situation wurde durch ein Auftrittsverbot der Reichsmusikkammer vom 24. November 1941 besiegelt und beendete die Existenz des Meistersextetts.
Die Comedian Harmonists gehörten zur Kategorie der A-cappella-Vokalgruppen, die bis auf Pianobegleitung ohne Instrumente auskamen und deren Gesang auf Close-Harmony-Effekte abgestimmt war. Ihr Vorbild waren die US-amerikanischen Revelers. Zum stets wachsenden Repertoire der Comedian Harmonists zählten neben einigen von Bootz nach Texten von Gerd Karlick komponierten Titeln (Ich hab’ für dich ’nen Blumentopf bestellt, Guten Tag, gnädige Frau, Schöne Isabella aus Kastilien), umarrangierten Jazztiteln (Hallo, was machst Du heut’, Daisy ist das Cover von You’re Driving Me Crazy; Ohne Dich stammt vom Original Stormy Weather; Tag und Nacht entstammt von Night and Day) und Varieté- und Operetten-Schlagern (Veronika, der Lenz ist da, Wochenend und Sonnenschein, Blume von Hawaii) auch zahlreiche populäre Lieder aus Filmen, in denen sie nicht mitgewirkt haben bzw. auf der Leinwand von anderen Interpreten gesungen werden (Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt aus Der blaue Engel, Ein Freund, ein guter Freund aus Die Drei von der Tankstelle oder Baby aus Das Lied vom Leben). So verband sie eine enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten Werner Richard Heymann. Zum musikalischen Stil der Comedian Harmonists – vor allem im Vergleich zu ihren Vorbildern, den Revelers – schrieben ihre Biografen Peter Czada und Günter Große: „Hot- und Swing-Elemente treten bei den Comedian Harmonists gegenüber einer an Wohlklang und Melodik orientierten Stimmführung zurück. Dies erlaubte es ihnen, auch Volkslieder und sogar Weihnachtslieder ganz schlicht in vollendeter, inniger Harmonie zu singen. Ihre Interpretation von Schlagern und Tanzmusik war äußerst flott, rhythmisch präzise und vielfach von parodistischem Witz geprägt, zugleich aber stets so gehalten, dass selbst banale Melodien ›veredelt‹ wurden.“
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Tilo Köhler, 1955 in Babelsberg geboren, wuchs in Brandenburg auf, lernte Hochseefischer, holte auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nach, studierte Germanistik, arbeitete als wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität Berlin, als Verlagslektor und freier Journalist. Er starb 2017.
(Quelle: Aufbau-Verlage)
Gut erhaltenes "Mängelexemplar"
mit Schutzumschlag., DE, [SC: 2.40], leichte Gebrauchsspuren, gewerbliches Angebot, 8° / 215 x 125 x 30 mm, 304, [GW: 300g], [PU: Leipzig], 2. Auflage, Banküberweisung, Internationaler Versand, [CT: Romane/Erzählungen / Historische Romane]<