Schwulsein 2000 - Erstausgabe

Die Idee hätte spannend werden können. Was ist in zehn Jahren deutsch-deutscher Schwulenpolitik passiert? Wie leben Schwule in Ost und West? Doch leider sind die meisten Aufsätze von Selbstmitleid und jener sozialbewegten, typisch deutschen "Betroffenheit" geprägt. Wem nützt eine lange Erörterung, warum sich einst der Bundesverband Homosexualität in Frankfurt auflöste? Wozu soll eine Debatte gut sein, ob sich nun alle Schwulen und Lesben unisono in einer Schwulenbewegung wiederfinden müssen?

Diskussionen, wie sie im Kapitel "Schwulenpolitik = Alle hinter einer Fahne?" über die mangelnde Solidarität in der schwulen Community geführt werden, sind sozialwissenschaftlich längst passé. Auch die Abhandlung über Schwule als Minderheit scheint im Morast der Geschichte steckengeblieben zu sein.

Für Studenten und Wissenschaftler, die Zusammenfassungen zur Entwicklung der Schwulenbewegung in Ost und West suchen, empfiehlt sich dagegen die gut aufgearbeitete Materialsammlung von Michael Holy. Fakten werden hier als solche beachtet und nicht sofort interpretiert. Bewertungen finden sich in der an den Aufsatz anschließenden Abschrift der Diskussion zum Aufsatz von Holy.

Durchaus unterhaltsam (und leider das einzig Anregende im ganzen Buch) ist der Nachtrag von Olaf Brühl mit einem kleinen, nicht ganz ernst gemeinten Glossar eines Außenseiters zum Schwulsein 2000 -- Arschficker oder Arschkriecher? Nicht nur die Kleinschreibung dominiert in diesem Text, sondern auch die selbstkritische Bewertung.

Alles in allem kein Buch, das sich zu lesen lohnt -- mit Ausnahme für Menschen, die sich wissenschaftlich mit Schwulen, Politik und Schwulenbewegung auseinandersetzen. --Martin Kilgus