Sikkim. Darjeeling & Kalimpong. Verstecktes Land im Himalaya. Mensche und Landschaften. - gebunden oder broschiert

Wer einmal den Himalaya, diesen gewaltigsten Gebirgszug unserer Erde gesehen hat, wird immer aufs neue der Faszination seiner Landschaften, seiner zahlreichen Volksgruppen mit den unterschiedlichsten Kulturen und seinen Mythen erliegen. Dramatisch wie die Natur ist auch die Geschichte, und so wenig wie die geologische Entwicklung der gigantischen Bergregion abgeschlossen ist, so wenig werden die 40 Millionen Menschen dieses Gebietes zur Ruhe kommen.

Der Himalayahauptkamm trennt das karge Hochland im Norden und Westen von dem grünen, vom Monsun verwöhnten Hügelland mit tief eingeschnittenen Flußtälern im Süden und Osten. Dieses fruchtbare Gebiet übt seit Jahrhunderten eine starke Anziehungskraft auf verschiedene Volksgruppen aus. Mongolische Völker aus Zentralasien haben immer wieder das Gebirge überquert und sich mit Ethnien aus Ostasien vermischt. Vom Süden, aus der übervölkerten Gangesebene, dringen noch immer Indoarier in die Region am Fuße des Himalaya. Sie waren einst aus Vorderasien über die Pässe des Karakorum nach Indien gelangt.

Die im Himalaya entstandenen Kulturen sind eng an die Religionen geknüpft, die sich in Indien entwickelt haben und eine Symbiose mit dem Glauben der Menschen an eine von Geistern, Göttern und Dämonen belebte Natur eingegangen sind. Über Kaschmir im Westen verbreitete sich der Buddhismus in Tibet, wo er eine Wandlung zum Lamaismus mit seinen verschiedenen Schulen durchlief und von dort wiederum in Wellen über die Pässe des Himalaya an die Südseite des Gebirges gelangte. Kulturzentren waren die Klöster, denn hier waren die Stätten der Gelehrsamkeit, und entbunden von den Pflichten des täglichen Überlebenskampfes konnten die Mönche sich künstlerisch betätigen. Die Menschen haben eine enge, oft auch familiäre Verbindung zu ihrem Kloster. Die Mönche unterrichten die Kinder und sind für die religiösen Riten zuständig, in denen sie die Gottheiten um eine reiche Ernte bitten oder um eine gute Wiedergeburt. Begabte Schüler werden in Medizin, Mathematik oder Astrologie ausgebildet.

Beginnend im 10. Jh., über einen Zeitraum von 700 Jahren, drangen immer wieder muslimische Heere aus dem Westen im indischen Subkontinent ein, plünderten die wohlhabenden hinduistischen Reiche, zerstörten in religiösem Wahn die Tempel und mordeten die Bevölkerung. Viele Stämme, auch Hinduherrscher mit ihrer Gefolgschaft, flohen in die menschenleeren, lebensfeindlichen Dschungel am Fuße des Himalaya und zogen weiter in die fruchtbaren Täler Nepals. Dort fand eine Vermischung des Hinduismus mit den vorgefundenen buddhistischen und animistischen Glaubenswelten statt und formte eine einzigartige Kultur.

Seit der Kolonialzeit hat auch der christliche Glaube Einzug gehalten, generell gefördert durch die ausgezeichneten Internatsschulen besonders in Darjeeling und Kalimpong. Da diese Ausbildungsstätten jeder Glaubensrichtung offenstanden und noch heute offenstehen, werden sie jedoch eher als ein Ort westlicher Erziehung und Disziplin angesehen.

Die Unabhängigkeit Indiens 1947 mit der Teilung in eine Hindurepublik und einen muslimischen Staat brachte wiederum einen Massenexodus. So gelangten einige Moslems auch in den religiös toleranten Südteil des Himalayaraumes.

Eine Mischung dieser ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt finden wir auf kleinstem Raum im 22. Bundesstaat der Indischen Union, in Sikkim, und in den südlich davon liegenden ehemaligen hillstations aus der Kolonialzeit, Darjeeling und Kalimpong.

Von Sikkim erfuhr man in der westlichen Welt durch die Romanze der Amerikanerin Hope Cooke mit dem Kronprinzen dieser abgelegenen Himalayamonarchie. Nach ihrer Heirat 1963 sollte sie 1965 die letzte Königin des kleinen Landes werden.

Darjeeling kennt man durch seinen Tee. In der Kolonialzeit wurde Darjeeling von den Briten während des unerträglich heißen Monsuns in ihrer ersten Hauptstadt Kalkutta als Sommerfrische geschätzt und ebenso wie Kalimpong zur hillstation ausgebaut. Das Klima begünstigte den Anbau des aus China importierten Teestrauches.

Kalimpong hatte seine größte Bedeutung als Station auf dem Handelsweg nach Tibet. Die Nähe zu diesem von China okkupierten Land wird auch heute noch durch die zahlreichen Flüchtlinge deutlich. Aus Tibet geflohene Gelugpamönche haben hier in den letzten Jahren neue Klöster gegründet.

Durch seine Höhenlagen zwischen 227m im Teesta Tal und dem dritthöchsten Berg der Erde, dem Kanchenjunga mit 8598m, findet man in der Region fast alle Klimata der Erde. Sikkim ist in vier Distrikte unterteilt, den spärlich besiedelten Norddistrikt mit steilen Hängen und rauhem Klima, den Ostdistrikt mit der Hauptstadt Gangtok, den Süddistrikt mit dem einzigen Bonkloster des Landes und den geschichtsträchtigen Westdistrikt mit seinem Trekkingparadies. Südlich davon bilden die Sommerfrischen Darjeeling und Kalimpong den gebirgigen Wurmfortsatz des indischen Bundesstaates Westbengalen.

Die Bevölkerung dieser drei Regionen unterscheidet sich beträchtlich von der des indischen Flachlandes. Immer wieder wird der Ruf nach Unabhängigkeit laut.

Obwohl Sikkim schon seit 1904 für Europäer geöffnet ist, ist es weniger bekannt als seine Nachbarländer Nepal und Bhutan, die Fremden erst ab 1950 beziehungsweise ab 1974 Einlaß gewährten. Die ersten Besucher waren Naturkundler oder Teilnehmer einer Expedition zum Kanchenjunga. Allmählich werden die Besuchsbeschränkungen gelockert. Nach Darjeeling und Kalimpong darf man ohne Sondergenehmigung reisen. Die vierzehntägige Aufenthaltsgenehmigung für Gangtok kann leicht verlängert werden, und seit kurzer Zeit ist es Ausländern auch erlaubt, in Gruppen bestimmte Gebiete in den Grenzregionen zu Tibet/China zu besuchen.

Wir haben die Region mehrmals bereist. Wir, das sind Gabriele Fritz und Dimitri Gerasimou. Die meisten Fotos entstanden während der jeweils einmonatigen Aufenthalte im Mai und Oktober 1995 und im November 1996. Gabriele Fritz kennt das Gebiet seit 1989 durch zahlreiche Reiseleitungen. Dabei entwickelte sich die Idee zu diesem Buch.