Sind die Deutschen ausländerfeindlich? 49 Stellungnahmen zu einem aktuellen Thema - Erstausgabe

gutes, ungelesenes Archivexemplar mit Stempel im Schnitt, minim. Lagerspuren, Sommer 2000 -- für die Journaille wie in jedem Jahr Saure-Gurken-Zeit. Doch dann: "Mosambikaner in Dessau zu Tode geprügelt", "Obdachloser auf Usedom erschlagen", "Flüchtlingskinder in Ludwigshafen durch Brandsatz verletzt" -- der ganz "normale Wahnsinn" in Deutschland plötzlich Thema Nummer Eins. Und wie's der Zufall so will, kommt just dieser Wochen das passende Buch auf den Markt. Sind die Deutschen ausländerfeindlich?

Diese "provokante Frage" (die Deutschen?) stellte Ulrich Arnswald vom Heidelberger European Institute for International Affairs bekannten Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft und Kirchen. Beileibe nicht alle waren zur Stellungnahme bereit. Dennoch kamen schlussendlich 49 -- in puncto Aktualität nicht immer ganz taufrische -- Essays zusammen, in denen mehr oder minder tiefgründig die mentale Situation der Nation erörtert wird. Tenor: Das, was hierzulande als "Ausländerfeindlichkeit" bezeichnet wird, ist genau genommen eine aus traditioneller "geistiger Kleinstaaterei" (Friedrich Schorlemmer) erwachsene Fremdenfeindlichkeit. Sie ist zwar allzu oft rassistisch motiviert (Ignatz Bubis) und sucht sich selektiv vor allem dunkelhäutigere Opfer (Gregor Gysi), hat aber per se noch nichts mit Rechtsextremismus zu tun, wenngleich sie diesem den Nährboden bereitet (Hans Merkens).

Nicht ganz unschuldig daran sind manche Politiker, die mit Blick auf das rechte Wählerklientel mit undifferenzierten Parolen und "verbalen Pogromausdrücken" (Günter Wallraff) zu Stichwortgebern mutieren, sowie eine Gesetzgebung, die die lebenslange Ausgrenzung von Teilen der inländischen Bevölkerung als "ausländische Mitbürger" zulässt (Fritz Pleitgen).

Weitgehende Übereinstimmung herrscht im Fazit, dass die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland nicht mehr oder weniger stark ausgeprägt ist als in anderen westlichen Demokratien. Der Hauptunterschied liege darin, dass sie hierzulande vor dem Hintergrund der Nazivergangenheit wesentlich intensiver thematisiert wird (Erwin K. Scheuch). "Es gibt auch bei uns Hass, Neid und Angst und leider sehr blamable Vorgänge", so Burkhard Hirsch. "Aber wir zögern nicht, sie als blamabel und beschämend zu bezeichnen, und wir bemühen uns darum, ihre Wiederholung zu verhindern. Das ist schon eine ganze Menge." --Roland Detsch