Die Richter - gebunden oder broschiert

Der amerikanische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Ellie Wiesel wurde vor allem mit Romanen über den Holocaust und seine Verdrängung bekannt. In Die Richter nähert er sich seinem Thema auf parabolische Art: Nach der Notlandung eines Flugzeugs auf dem Weg nach Israel finden fünf Passagiere im Haus eines geheimnisvollen "Richters" irgendwo in Connecticut Aufnahme, der die "Geretteten" im Namen der "Götter" willkommen heißt. Dessen neugierige Fragen wandeln sich bald zu strengen Verhören. Das "Spiel" wird tödlicher Ernst: Denn einer von den Anwesenden soll vom Richter zum Tode verurteilt und vom "Buckligen" -- dem "Opferpriester" -- hingerichtet werden.

"Das ist mir alles zu abstrakt", urteilt der Richter einmal über den Talmud. Ein wenig kann das auch für Die Richter gelten. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Holocaust, mit Schuld und Verstrickung zur Zeit des Nationalsozialismus beziehungsweise Sühne und Vergebung in der Gegenwart findet zu selten statt. So bleiben Die Richter eine leider viel zu abstrakte, existentialistische Parabel über die "Suche nach dem Sinn der Vergangenheit". Und so manchen radikaleren Eingriff des Übersetzers (dass Düsseldorf "in Deutschland" liegt, weiß hierzulande jeder) hätte man sich auch gewünscht.

Schließlich ist "das Spiel aus", die Erinnerung "vorbei" -- und Wiesels Fabel über verwelkte Liebe, historische Schuld und erstorbene Hoffnung hat eine überraschende, wenn auch durch das Motto des Buchs schon vorab verratene Wendung genommen, die den Plural des Titels erklärt. Aber so richtig zufrieden legt man Die Richter dann doch nicht aus der Hand. Da sollte man lieber zu Wiesels Erstling Die Nacht (1958) oder zu Der Vergessene von 1989 greifen, die das Thema weitaus eindringlicher fassen. --Thomas Köster