Verdi - Handbuch. Herausgegeben von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert unter Mitarbeit von Christine Fischer (Die Kapitel von Luca Zopelli hat Caroline Schneider-Kliemt aus dem Italienischen übersetzt) - gebunden oder broschiert

Musikliteratur, Jeder Opernbesucher kennt die Situation: Selten gibt es im Vorfeld Gelegenheit, sich umfassend auf die avisierte Oper und ihre Hintergründe vorzubereiten. Kurz vorher wird noch in der heimischen Bibliothek der Opernführer konsultiert, um wenigstens überblicksartig eine Vorstellung von der Handlung zu haben. Im Opernhaus bietet dann das Programmheft mehrere Aufsätze über das gespielte Werk und sein Umfeld, aber ehe man sich auch nur einen Bruchteil dieser Informationen zu Gemüte führen kann, geht das Licht aus, und wieder einmal tappt man im Dunkeln: Wer waren gleich wieder Bardolfo und Pistola, was hat Nanetta mit Alice Ford zu tun, was will Dr. Cajus gleich wieder von Falstaff...

Zumindest in Bezug auf Verdis Opern könnten solche Pleiten nun der Vergangenheit angehören: Das vorliegende Verdi-Handbuch, erschienen zum hundertsten Todesjahr des Komponisten, bietet in seinem umfangreichen Werk-Kapitel nicht nur die Handlung jeder Oper, sondern auch je einen Abschnitt über Entstehung und Wirkung sowie einen umfangreichen Kommentar, ferner außer der Liste der Personen auch die Orchesterbesetzung sowie wichtige Daten über die verschiedenen Ausgaben, über das zu Grunde liegende Libretto und über den Verbleib des Autographs. Wertvoll sind außerdem die Schallplattentipps zu jedem Werk: Fast immer sind mehrere Alternativen benannt, wobei das Schwergewicht in vielen Fällen erfreulicherweise auf hochqualifizierten historischen Aufnahmen liegt.

Allerdings sei mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass das Verdi-Handbuch keineswegs nur besserer Operführer ist. Selbstverständlich werden im Werk-Teil auch alle anderen Kompositionen Verdis benannt und beschrieben. Insgesamt jedoch machen die Werkbeschreibungen weniger als die Hälfte des Buches aus: Am Anfang nimmt ein einführendes Kapitel zunächst einige lieb gewordene Verdi-Mythen unter die Lupe und vermittelt so manche überraschende Erkenntnis über den Meister. Des weiteren informieren zahlreiche Aufsätze über die politische Situation im Italien des 19. Jahrhunderts und die Rolle der Oper, über die Aufführungspraxis zur Zeit Verdis, über Stimmtypen und Rollencharaktere, Melodiebildung und Orchestrierung, über Verdis Ästhetik und vieles mehr. Ergänzt wird der umfangreiche Band durch eine ausführliche Zeittafel, ein ergiebiges Literaturverzeichnis, ein Glossar und ein Personenregister.

Benutzen kann man den übersichtlich gestalteten Wälzer sowohl als unterhaltsames Lesebuch rund um Verdi und sein Werk, gleichzeitig aber auch als Ausgangspunkt zur intensiveren Beschäftigung mit Einzelaspekten. In seiner Multifunktionalität, die ein sehr breites Publikum anspricht, ist das Verdi-Handbuch ein gelungenes Beispiel für die facettenreiche Aufbereitung eines Komponisten und seines Umfeldes. --Michael Wersin