Vaterkind - Erstausgabe

Helden des Alltags -- "Wir wollten die Welt verändern, ohne dass sie es erfuhr", erinnert sich Paul Schade, Ex-Student, Ex-Hausbesetzer und inzwischen Musiker in einer leidlich erfolgreichen Popband. "Alles sollte ein Spiel bleiben." Während die Freunde von einst in Schönheit scheitern dürfen, muss Paul die alten Ideale gleichsam "am Markt behaupten". Zwei Dinge sind es, die den Enddreißiger zwingen, endgültig vom liebgewordenen Status des Berufsjugendlichen Abschied zu nehmen: Das langsame Sterben des Vaters und die Geburt seiner Tochter Lu. Schwangerschaft und Kinderbetreuung, Tod und Nachlassregelung -- Paul steht zu sehr im Leben, um wirklich Künstler sein zu können. "Ich wurde nicht John Lennon, der Brot backt, ich blieb Paul Schade, der maximal die Trockenhefe rausholt, wenn die Schwiegereltern zum Abendbrot bleiben."

Es ist ein Leben, dass er nicht gewollt hat -- eine neue Mischung einzelner Bestandteile des Lebens seiner Eltern. Vielleicht ist es diese bis in die letzten Verästelungen des Alltags ausgelotete Spiegelung der Lebensentwürfe zweier Generationen, die Mands Roman Fallhöhe geben und ihn wohltuend von anderen Väterbüchern -- etwa Hanns-Josef Ortheils Roman Lo und Lu oder dem Berliner Tagebuch (Das erste Jahr) des Büchner-Preisträgers und frischgebackenen Papas Durs Grünbein -- abheben.

Was sollen uns gerade jetzt die Aufzeichnungen eines Hausmanns zwischen Bügelbrett und Babybreizubereitung angehen? Ein Problem. Gibt es ein richtiges Leben im Falschen? "Es gibt schöne Tage, aber abends ist man froh, dass sie vorbei sind." Statt sich um die großen Fragen der Menschheit zu kümmern, erzählt Mand auf intelligente wie berührende Weise von den kleinen. Solch private Geschichtsschreibung steht hierzulande nicht allzu hoch im Kurs.

Ein Autor, der seit den 80er-Jahren als Geheimtipp gilt, harrt der Entdeckung: Mit den Romanen um seinen Helden Paul Schade ist Andreas Mand, geboren 1959 in Duisburg, zum Chronisten einer ganzen Generation geworden -- jener ewigen "Zaungäste" (Reinhard Mohr), die für die 68er-Revolte zu spät, für die inzwischen auch schon wieder alt aussehende New Economy zu früh kamen, und gleichwohl das Gesicht der heutigen Bundesrepublik entscheidend mitprägen. Man kann sich, wenn man will, ziemlich gut in diesen Büchern erkennen; manchmal ist es wie das Durchblättern alter Familienalben. Nein, besser. Denn "die Bilder altern, und die richtigen Worte sind weder alt noch jung." --Niklas Feldtkamp