Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Erstausgabe
1982, ISBN: 9783423100601
Taschenbuch
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Guter Zustand. … Mehr…
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Guter Zustand. Vordere Buchecken minimal eselsohrig. Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August“ wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver¬schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver¬glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek¬tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum.“ Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit“, ja einen „bösen Geist“ am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung.“ So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters“ wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross¬weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, weiß sie Akteure und Schauplätze filmreif zu überblenden. Hofzeremonien, Verräterei, Papstwahl-Debakel, Diplomatenkünste: Aus der Sicht des weitblickenden Zeitgenossen werden die Finten und Fanale auf dem politischen Parkett, das oft genug ein Schlachtfeld ist, verständlich. Und stets erinnert sich der Leser, dass diese Welt voller Extreme auch ein „ferner Spiegel“ sein könnte für die zerklüftete Gegenwart der Autorin – sei es im Ganzen wohl auch nur durch den vagen Trost, „daß die Menschheit schon Schlimmeres durchlebt hat“. Keine der unzähligen Informationen in diesem Buch ist erfunden. Barbara Tuchman kennt die Belege und nennt sie: Chroniken und Urkunden, Inschriften und archäologische Funde, aber auch poetische und philosophische Werke hat sie ausgewertet. Gewiss, in vielem ist die Forschung mittlerweile vorangekommen, und die verwinkelte Geistesgeschichte der Epoche kann das Buch nur ein paarmal streifen. Doch als packend erzähltes Gesamtbild bleibt die 700-Seiten-Reportage der lebensklugen Lady aus New York eine große Leistung. „Spannende Lektüre“ nach „bester angloamerika¬nischer Historikertradition“ sei das, urteilten die Kritiker beim Erscheinen der deutschen Übersetzung. Zahllose Nachahmer hat der Bestseller seither gefunden; nicht nur Romanciers wie Umberto Eco, dessen Mönchskrimi „Der Name der Rose“ 1980 den Mittelalter-Boom nutzte und zugleich anheizte, auch Film- und Ausstellungsmacher können weiterhin mit großem Interesse für ein Zeitalter rechnen, das zuvor für die meisten pauschal als „finster“ galt. Zugegeben: Viele der Schmöker, Filme und Themenparks, die das fortdauernde Interesse am Mittelalter ausbeuten, setzen auf primi¬tiven Spaß und Horrorkitzel ohne viel Wahrheitsgehalt. Dass etwa vor vier Jahren der US-Lehrer Dan Brown eine längst als trübes Gebräu entlarvte Verschwörungsstory über den Templerorden bloß clever verzapfen musste, um den Erfolgsthriller „Sakrileg“ zu fabrizieren, ist ein Warnsignal dafür, wie wenig es manch einem Mittelalter-Vermarkter noch auf historische Fakten ankommt. Barbara Tuchman, die US-Moralistin mit dem Blick fürs menschliche Detail, kann gegen solch wohlfeile Sensationen geradezu immun machen. Ohne je den Zeigefinger zu heben, erreicht sie mit ihrem einfühlsamen Panorama, wovon selbst große Historiker oft nur träumen konnten: Ein fremdes Zeitalter wenigstens in den Grundlinien so zu schildern, „wie es wirklich gewesen ist“ (Ranke). Den Gewinn an Wissen, mitunter sogar an Weisheit, haben ihre Leser – bis heute. - Barbara Tuchman wurde 1912 in New York geboren. Sie studierte am Radcliffe College, wurde dann Korrespondentin der 'Nation'. Für zwei ihrer Werke wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1963 für 'August 1914' und 1972 für 'Sand gegen den Wind'., DE, [SC: 2.70], gewerbliches Angebot, [GW: 455g], Taschenbucherstausgabe., Offene Rechnung, PayPal, Selbstabholung und Barzahlung, Offene Rechnung (Vorkasse vorbehalten), Internationaler Versand<
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Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch
1989, ISBN: 9783423100601
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Sehr guter Zust… Mehr…
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August“ wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver¬schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver¬glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek¬tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum.“ Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit“, ja einen „bösen Geist“ am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung.“ So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters“ wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross¬weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, weiß sie Akteure und Schauplätze filmreif zu überblenden. Hofzeremonien, Verräterei, Papstwahl-Debakel, Diplomatenkünste: Aus der Sicht des weitblickenden Zeitgenossen werden die Finten und Fanale auf dem politischen Parkett, das oft genug ein Schlachtfeld ist, verständlich. Und stets erinnert sich der Leser, dass diese Welt voller Extreme auch ein „ferner Spiegel“ sein könnte für die zerklüftete Gegenwart der Autorin – sei es im Ganzen wohl auch nur durch den vagen Trost, „daß die Menschheit schon Schlimmeres durchlebt hat“. Keine der unzähligen Informationen in diesem Buch ist erfunden. Barbara Tuchman kennt die Belege und nennt sie: Chroniken und Urkunden, Inschriften und archäologische Funde, aber auch poetische und philosophische Werke hat sie ausgewertet. Gewiss, in vielem ist die Forschung mittlerweile vorangekommen, und die verwinkelte Geistesgeschichte der Epoche kann das Buch nur ein paarmal streifen. Doch als packend erzähltes Gesamtbild bleibt die 700-Seiten-Reportage der lebensklugen Lady aus New York eine große Leistung. „Spannende Lektüre“ nach „bester angloamerika¬nischer Historikertradition“ sei das, urteilten die Kritiker beim Erscheinen der deutschen Übersetzung. Zahllose Nachahmer hat der Bestseller seither gefunden; nicht nur Romanciers wie Umberto Eco, dessen Mönchskrimi „Der Name der Rose“ 1980 den Mittelalter-Boom nutzte und zugleich anheizte, auch Film- und Ausstellungsmacher können weiterhin mit großem Interesse für ein Zeitalter rechnen, das zuvor für die meisten pauschal als „finster“ galt. Zugegeben: Viele der Schmöker, Filme und Themenparks, die das fortdauernde Interesse am Mittelalter ausbeuten, setzen auf primi¬tiven Spaß und Horrorkitzel ohne viel Wahrheitsgehalt. Dass etwa vor vier Jahren der US-Lehrer Dan Brown eine längst als trübes Gebräu entlarvte Verschwörungsstory über den Templerorden bloß clever verzapfen musste, um den Erfolgsthriller „Sakrileg“ zu fabrizieren, ist ein Warnsignal dafür, wie wenig es manch einem Mittelalter-Vermarkter noch auf historische Fakten ankommt. Barbara Tuchman, die US-Moralistin mit dem Blick fürs menschliche Detail, kann gegen solch wohlfeile Sensationen geradezu immun machen. Ohne je den Zeigefinger zu heben, erreicht sie mit ihrem einfühlsamen Panorama, wovon selbst große Historiker oft nur träumen konnten: Ein fremdes Zeitalter wenigstens in den Grundlinien so zu schildern, „wie es wirklich gewesen ist“ (Ranke). Den Gewinn an Wissen, mitunter sogar an Weisheit, haben ihre Leser – bis heute. - Barbara Tuchman wurde 1912 in New York geboren. Sie studierte am Radcliffe College, wurde dann Korrespondentin der 'Nation'. Für zwei ihrer Werke wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1963 für 'August 1914' und 1972 für 'Sand gegen den Wind'., DE, [SC: 2.70], gewerbliches Angebot, [GW: 455g], 9. Auflage, Offene Rechnung, PayPal, Selbstabholung und Barzahlung, Offene Rechnung (Vorkasse vorbehalten), Internationaler Versand<
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Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Erstausgabe
1982, ISBN: 3423100605
Taschenbuch
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, sehr guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMAN… Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, sehr guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Guter Zustand. Vordere Buchecken minimal eselsohrig. Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförd, Books<
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Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch
1989, ISBN: 3423100605
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GE… Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, w, Books<
ZVAB.com BOUQUINIST, München, BY, Germany [1048136] [Rating: 5 (von 5)] NOT NEW BOOK. Versandkosten: EUR 3.00 Details... |
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch
1989, ISBN: 3423100605
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, … Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, w, Books<
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Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Erstausgabe
1982, ISBN: 9783423100601
Taschenbuch
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Guter Zustand. … Mehr…
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Guter Zustand. Vordere Buchecken minimal eselsohrig. Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August“ wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver¬schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver¬glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek¬tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum.“ Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit“, ja einen „bösen Geist“ am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung.“ So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters“ wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross¬weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, weiß sie Akteure und Schauplätze filmreif zu überblenden. Hofzeremonien, Verräterei, Papstwahl-Debakel, Diplomatenkünste: Aus der Sicht des weitblickenden Zeitgenossen werden die Finten und Fanale auf dem politischen Parkett, das oft genug ein Schlachtfeld ist, verständlich. Und stets erinnert sich der Leser, dass diese Welt voller Extreme auch ein „ferner Spiegel“ sein könnte für die zerklüftete Gegenwart der Autorin – sei es im Ganzen wohl auch nur durch den vagen Trost, „daß die Menschheit schon Schlimmeres durchlebt hat“. Keine der unzähligen Informationen in diesem Buch ist erfunden. Barbara Tuchman kennt die Belege und nennt sie: Chroniken und Urkunden, Inschriften und archäologische Funde, aber auch poetische und philosophische Werke hat sie ausgewertet. Gewiss, in vielem ist die Forschung mittlerweile vorangekommen, und die verwinkelte Geistesgeschichte der Epoche kann das Buch nur ein paarmal streifen. Doch als packend erzähltes Gesamtbild bleibt die 700-Seiten-Reportage der lebensklugen Lady aus New York eine große Leistung. „Spannende Lektüre“ nach „bester angloamerika¬nischer Historikertradition“ sei das, urteilten die Kritiker beim Erscheinen der deutschen Übersetzung. Zahllose Nachahmer hat der Bestseller seither gefunden; nicht nur Romanciers wie Umberto Eco, dessen Mönchskrimi „Der Name der Rose“ 1980 den Mittelalter-Boom nutzte und zugleich anheizte, auch Film- und Ausstellungsmacher können weiterhin mit großem Interesse für ein Zeitalter rechnen, das zuvor für die meisten pauschal als „finster“ galt. Zugegeben: Viele der Schmöker, Filme und Themenparks, die das fortdauernde Interesse am Mittelalter ausbeuten, setzen auf primi¬tiven Spaß und Horrorkitzel ohne viel Wahrheitsgehalt. Dass etwa vor vier Jahren der US-Lehrer Dan Brown eine längst als trübes Gebräu entlarvte Verschwörungsstory über den Templerorden bloß clever verzapfen musste, um den Erfolgsthriller „Sakrileg“ zu fabrizieren, ist ein Warnsignal dafür, wie wenig es manch einem Mittelalter-Vermarkter noch auf historische Fakten ankommt. Barbara Tuchman, die US-Moralistin mit dem Blick fürs menschliche Detail, kann gegen solch wohlfeile Sensationen geradezu immun machen. Ohne je den Zeigefinger zu heben, erreicht sie mit ihrem einfühlsamen Panorama, wovon selbst große Historiker oft nur träumen konnten: Ein fremdes Zeitalter wenigstens in den Grundlinien so zu schildern, „wie es wirklich gewesen ist“ (Ranke). Den Gewinn an Wissen, mitunter sogar an Weisheit, haben ihre Leser – bis heute. - Barbara Tuchman wurde 1912 in New York geboren. Sie studierte am Radcliffe College, wurde dann Korrespondentin der 'Nation'. Für zwei ihrer Werke wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1963 für 'August 1914' und 1972 für 'Sand gegen den Wind'., DE, [SC: 2.70], gewerbliches Angebot, [GW: 455g], Taschenbucherstausgabe., Offene Rechnung, PayPal, Selbstabholung und Barzahlung, Offene Rechnung (Vorkasse vorbehalten), Internationaler Versand<
Tuchman, Barbara W.:
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch1989, ISBN: 9783423100601
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Sehr guter Zust… Mehr…
[PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Taschenbuch. Kartoniert. Laminiert. Glanzfolienkaschierung. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August“ wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver¬schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver¬glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek¬tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum.“ Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit“, ja einen „bösen Geist“ am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung.“ So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters“ wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross¬weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, weiß sie Akteure und Schauplätze filmreif zu überblenden. Hofzeremonien, Verräterei, Papstwahl-Debakel, Diplomatenkünste: Aus der Sicht des weitblickenden Zeitgenossen werden die Finten und Fanale auf dem politischen Parkett, das oft genug ein Schlachtfeld ist, verständlich. Und stets erinnert sich der Leser, dass diese Welt voller Extreme auch ein „ferner Spiegel“ sein könnte für die zerklüftete Gegenwart der Autorin – sei es im Ganzen wohl auch nur durch den vagen Trost, „daß die Menschheit schon Schlimmeres durchlebt hat“. Keine der unzähligen Informationen in diesem Buch ist erfunden. Barbara Tuchman kennt die Belege und nennt sie: Chroniken und Urkunden, Inschriften und archäologische Funde, aber auch poetische und philosophische Werke hat sie ausgewertet. Gewiss, in vielem ist die Forschung mittlerweile vorangekommen, und die verwinkelte Geistesgeschichte der Epoche kann das Buch nur ein paarmal streifen. Doch als packend erzähltes Gesamtbild bleibt die 700-Seiten-Reportage der lebensklugen Lady aus New York eine große Leistung. „Spannende Lektüre“ nach „bester angloamerika¬nischer Historikertradition“ sei das, urteilten die Kritiker beim Erscheinen der deutschen Übersetzung. Zahllose Nachahmer hat der Bestseller seither gefunden; nicht nur Romanciers wie Umberto Eco, dessen Mönchskrimi „Der Name der Rose“ 1980 den Mittelalter-Boom nutzte und zugleich anheizte, auch Film- und Ausstellungsmacher können weiterhin mit großem Interesse für ein Zeitalter rechnen, das zuvor für die meisten pauschal als „finster“ galt. Zugegeben: Viele der Schmöker, Filme und Themenparks, die das fortdauernde Interesse am Mittelalter ausbeuten, setzen auf primi¬tiven Spaß und Horrorkitzel ohne viel Wahrheitsgehalt. Dass etwa vor vier Jahren der US-Lehrer Dan Brown eine längst als trübes Gebräu entlarvte Verschwörungsstory über den Templerorden bloß clever verzapfen musste, um den Erfolgsthriller „Sakrileg“ zu fabrizieren, ist ein Warnsignal dafür, wie wenig es manch einem Mittelalter-Vermarkter noch auf historische Fakten ankommt. Barbara Tuchman, die US-Moralistin mit dem Blick fürs menschliche Detail, kann gegen solch wohlfeile Sensationen geradezu immun machen. Ohne je den Zeigefinger zu heben, erreicht sie mit ihrem einfühlsamen Panorama, wovon selbst große Historiker oft nur träumen konnten: Ein fremdes Zeitalter wenigstens in den Grundlinien so zu schildern, „wie es wirklich gewesen ist“ (Ranke). Den Gewinn an Wissen, mitunter sogar an Weisheit, haben ihre Leser – bis heute. - Barbara Tuchman wurde 1912 in New York geboren. Sie studierte am Radcliffe College, wurde dann Korrespondentin der 'Nation'. Für zwei ihrer Werke wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1963 für 'August 1914' und 1972 für 'Sand gegen den Wind'., DE, [SC: 2.70], gewerbliches Angebot, [GW: 455g], 9. Auflage, Offene Rechnung, PayPal, Selbstabholung und Barzahlung, Offene Rechnung (Vorkasse vorbehalten), Internationaler Versand<
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Erstausgabe
1982
ISBN: 3423100605
Taschenbuch
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, sehr guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMAN… Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, sehr guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Guter Zustand. Vordere Buchecken minimal eselsohrig. Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförd, Books<
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch
1989, ISBN: 3423100605
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GE… Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [SC: 3.0], [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, w, Books<
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Mit einem Vorwort der Verfasserin. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Leschak und Malte Friedrich. Originaltitel: A Distant Mirror: The Calamitous Fourteenth Century. Mit Anmerkungen, Bibliographie, Personen- und Sachregister. - (dtv Geschichte, Band 10060). - Taschenbuch
1989, ISBN: 3423100605
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, … Mehr…
[EAN: 9783423100601], Gebraucht, guter Zustand, [PU: München, Deutscher Taschenbuch Verlag], GESCHICHTE IM MITTELALTER, PEST, PULITZER-PREIS, GESCHICHTSSCHREIBUNG, TUCHMANN, GESCHICHTEN, FRANZÖSISCHE GESCHICHTE, GESCHICHTSPHILOSOPHIE, HISTORISCHE HILFSWISSENSCHAFTEN, KULTURGESCHICHTE, VOLKSKUNDE, GESCHICHTSSTUDIUM, GESCHICHTSBEWUSSTSEIN, DES 14. JAHRHUNDERTS, GESCHICHTSWISSENSCHAFT, GESCHICHTSFORSCHUNG, GESCHICHTSUNTERRICHT, ENGLAND, HISTORISTIK, HISTORIE, HERMENEUTIK, 580 (4) Seiten und 1 Karte. 19,1 cm. Austattung: Celestino Piatti. Sehr guter Zustand. - Der Spiegel Finten und Fanale. Wer sich als Helden seines Buches ausgerechnet einen gewissen Enguerrand de Coucy VII. aussucht, sollte schon einen guten Grund dafür haben. Und wer seinen Lesern dann fast 700 Seiten lang das Leben dieses spätmittelalterlichen Provinzfürsten aus der Picardie erzählt, von dem es noch nicht einmal ein Bildnis gibt, muss seiner Sache schon ziemlich sicher sein. Für Barbara Tuchman (1912 bis 1989) galt beides: Die Tochter eines Privatbankiers hatte sich in jungen Jahren als Reporterin einen Namen gemacht, den Spanischen Bürgerkrieg aus der Nähe miterlebt und später als Korrespondentin in London gearbeitet. Das Handwerk des Erzählens beherrschte sie seit langem, vor allem seine Grundregel: Menschen und ihre Alltagswirklichkeit sind in der Regel faszinierender als Thesen und Theorien. Verheiratet mit einem Arzt und Mutter dreier Töchter, hatte die promovierte Nicht-Professorin schon mehrere Geschichtswerke geschrieben, als ihr 1962 der erste Welterfolg gelang: Sie erzählte von Europas Absturz in den Ersten Weltkrieg so, als lebe sie, ohne Kenntnis der späteren Ereignisse, im Jahr 1914. Das Buch „The Guns of August" wurde in den USA sofort ein Bestseller, seine Autorin mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt. 16 Jahre und einige Bücher später begann sie sich für die Folgen der Pest im späten Mittelalter zu interessieren. Wieder fand sie mit demselben Gespür für nachfühlbare Nähe den idealen schriftstellerischen Zugang: eine Hauptfigur, die, sieht man von der nördlichen Hälfte des Heiligen Römischen Reiches einmal ab, fast alle bedeutenden Schauplätze der damaligen Welt des 14. Jahrhunderts kennenlernt – und über die man trotz des fehlenden Porträts genügend weiß, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Enguerrand VII. (1340 bis 1397) ist nicht nur der letzte Spross einer Dynastie, die über Generationen aus dem Dasein anrüchiger Warlords im Norden von Paris zu hochgeehrten Lehensmännern der französischen Könige aufgestiegen war. Er ist ein echter Ritter, der mit 15 Jahren das erste Mal ins Feld zieht, ja ein Weltmann, der den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich am eigenen Leibe erlebt: Sein Vater fällt in der Schlacht von Crécy 1346, und Coucy verbringt später als offizielle Geisel fünf Jahre in England; kurz vor seiner Rückkehr heiratet er Isabella, die ziemlich ver schwenderische älteste Tochter des englischen Königs Edward III. Rasch berühmt für seine strategischen Fähigkeiten, dient Coucy dann nicht nur auf etlichen Waffengängen seines Herrschers bis nach Nordafrika, er zieht auch auf eigene Rechnung gegen Österreich und das norditalienische Fürstenhaus der Visconti zu Felde. Ver glichen mit anderen seines Standes, darf man ihn einen Intellek tuellen nennen: So trifft er auch einmal Geoffrey Chaucer, Englands größten Dichter vor Shakespeare. Meist aber hat der Tatmensch Coucy mit den Widrigkeiten seiner Zeit zu kämpfen. Er muss erleben, wie Pestwellen das Land veröden lassen und religiöse Hysterie hervorrufen. Ursprünglich Grundherr beiderseits des Kanals und ein Anwalt der Verständigung, wird er durch den Dauerkonflikt zwischen England und Frankreich 1377 zur Entscheidung gezwungen: Er tritt seine Besitzungen auf der Insel ab, verlässt den ehrwürdigen Kreis der Ritter des Hosenbandordens und trennt sich sogar von seiner Frau, die nach England zurückkehrt. Ein Papst in Rom, sein Gegenpapst in Avignon, auf Frankreichs Thron ein König mit Wahnsinnsanfällen, im Osten der nahezu unaufhaltsame Vormarsch der Osmanen – je älter Coucy wird, desto bedrohlicher mehren sich apokalyptische Unheilszeichen. Als Teilnehmer an einem gesamteuropäischen Feldzug gegen die Türken, der mit einem militärischen Fiasko endet, das Coucy nicht zu verantworten hat, gerät er 1396 in Gefangenschaft des Sultans und stirbt wenige Monate später im kleinasiatischen Bursa. Schon diese wechselvolle Lebensgeschichte könnte einen dicken Band füllen. Doch Barbara Tuchman geht es um mehr. Immer wieder gönnt sie sich – und das ist wohl der Kern ihres Erfolgsrezepts – Abschweifungen, in denen alle Aspekte des spätmittelalterlichen Daseins virtuos ausgeleuchtet werden. Wie etwa muss man sich das gewöhnliche Leben in Paris um diese Zeit vorstellen? Wandkamine waren der Luxus des Mittelstands, die Fußböden „wurden im Sommer mit duftenden Kräutern bestreut und im Winter mit Stroh, das in reichen Häusern öfter, in den armen nur einmal im Jahr gewechselt wurde. Private Räume gab es nicht, was die Gereiztheit der Menschen gesteigert haben mag. Auch in größeren Häusern schliefen die Gäste mit dem Gastgeber und seiner Frau in einem Raum." Mit solch handfesten Informationen ist das Buch gespickt. Hexenwahn, Klosterstiftungen, Bauernaufstände, pompöse Feste und Turniere, die ständige Angst vor den bewaffneten Horden der sogenannten Briganten, Kirchgang und Beichte (viel weniger regelmäßig, als spätere, verklärende Berichte es melden), dazwischen immer wieder verheerende Epidemiewellen: All diese Tatsachen ordnen sich zum Monumentalmosaik einer Zeit, in der die Autorin vielfach nackte „Verantwortungslosigkeit", ja einen „bösen Geist" am Werk sieht. „Die Menschen fühlten sich wie Treibgut hin und her geworfen in einer Welt ohne Sinn und Richtung." So sehr dies der Grundton bleibt, es ist nicht vergessen, was der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1919 in seinem bahnbrechenden Werk vom „Herbst des Mittelalters" wehmütig bestaunt hatte: Bildung, internationaler Geist und ein geradezu verschwenderisch reiches künstlerisches Leben entschädigten für die Schrecken des Alltags; Jenseitshoffnung und ostentative Daseinsfreude halfen über die Angst vor der Zukunft hinweg. Frauen spielten eine wichtige Rolle – vom Tross weib über die Buchautorin bis zur Minnedame. All das erwähnt Barbara Tuchman mit sicherem Blick für farbige Szenen. Wie ihr Hauptgewährsmann, der große, von Coucy geförderte Chronist Jean Froissart, w, Books<
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Bibliographische Daten des bestpassenden Buches
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Titel: | |
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Detailangaben zum Buch - Der Ferne Spiegel
EAN (ISBN-13): 9783423100601
ISBN (ISBN-10): 3423100605
Gebundene Ausgabe
Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 1991
Herausgeber: Munchen : Deutscher Taschnbuch
Buch in der Datenbank seit 2007-06-05T16:17:39+02:00 (Berlin)
Detailseite zuletzt geändert am 2024-04-23T14:05:59+02:00 (Berlin)
ISBN/EAN: 3423100605
ISBN - alternative Schreibweisen:
3-423-10060-5, 978-3-423-10060-1
Alternative Schreibweisen und verwandte Suchbegriffe:
Autor des Buches: tuchman, barbara tuchmann, wertheim, verne, jaene, lohberg rolf, das jahrhundert, deutscher, ulrich friedrich, theo lutz, der ferne spiegel, löhberg, lütz
Titel des Buches: aus der ferne, der ferne spiegel das dramatische, das amerikanische jahrhundert, spiegel 1999, dtv, friedrich der, malte, spiegel register, geschichte spiegels, einführung kybernetik, verständliche wissenschaft, geschichte der text über lieferung, barbara tuchman, personen und sachregister, distant mirror, spiegel dvd, der spiegel 1992
Daten vom Verlag:
Autor/in: Barbara W Tuchman
Titel: dtv Sachbuch; Der ferne Spiegel - Das dramatische 14. Jahrhundert
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
584 Seiten
20,80 € (DE)
20,80 CHF (CH)
Not available (reason unspecified)
BC; KART
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