1978, ISBN: 9783421018632

[ED: Paperback], [PU: Brönner & Daentler], Ein Auszug: GRENZÜBERGANG Evan, der junge Ehemann, läuft hinüber zur Herrentoilette der Sunoco-Tankstelle beim Tigerstadion in Detroit, blaß, a… Mehr…

[ED: Paperback], [PU: Brönner & Daentler], Ein Auszug: GRENZÜBERGANG Evan, der junge Ehemann, läuft hinüber zur Herrentoilette der Sunoco-Tankstelle beim Tigerstadion in Detroit, blaß, angegriffen und verärgert, und Renée, seine Frau, sitzt hilflos im Auto, um zu warten bis er wiederkommt. Ihr ist elend vor Hitze. Ein paar Straßen weiter die Brücke. Nach ihrer langen Fahrt vom Süden herauf sind sie jetzt kurz vor der Grenze. Ihr neues Land wird ein nördliches Land sein. Doch bis zur Grenze sind es höchstens drei Minuten; dort wird es auch heiß sein. In Florida hatte sie über der Landkarte von frischer Luft geträumt, von der Arktis gekühlt, von ständig wehendem, alles reinigendem Wind ... und hatte doch gewußt, wie unvernünftig ihre Träume waren. Sie wußte, wie es in Wirklichkeit sein würde. Ihre Träume deuteten Wunder an, aber sie wußte, wie es in Wirklichkeit sein würde. An dieser Stelle zieht sich die kanadische Grenze tief herunter, läuft südwestlich vom Huronsee zum Eriesee, anmutig wie aus Wasser und nicht fest und starr wie Erde. Wenn man hier die Grenze überquert, bedeutet das, daß man nach Süden fahren muß, südöstlich. Aber wahrscheinlich ist es nicht so heiß wie in New York; sicher nicht so heiß wie in Florida. Einmal hatte er sie beschuldigt, sie wolle sich wohl umbringen - bei dieser Hitze die Küchenwände und den Boden scheuern! Was? Aber warum denn? Er ging weg. Er ging immer weg. 35 Grad, und die Klimaanlage funktionierte nicht richtig. Aber ich will mich gar nicht umbringen, hatte Renée protestiert. Sie log selten. Wie seltsam. Von Detroit fuhr man nach Süden, um nach Kanada zu kommen. Das wäre etwas, was man in einem Brief nach Hause berichten könnte. Vielleicht hatte sie Evan schon darauf hingewiesen, sie konnte sich nicht daran erinnern. Sie wußte auch nicht mehr, ob er sich die Mühe gemacht hatte, darauf zu antworten. Schmerz äußerte sich bei ihm in Schweigen. Tut mir leid! Es tut mir leid! Entschuldige! Euphorie: Wörter. Erregte, lautstarke Erklärungen. Entschuldigungen. Die Hand drücken, den Unterarm streicheln, leichte, luftige Ehepaar-Küsse: auf die Backe, auf den Nacken (peinlich feucht). Genau wie sie diese Reise wochenlang vorbereitet hatten, ohne viel darüber zu reden, sprachen sie auch am letzten Vormittag wenig. Das Leben bestand aus Einzelheiten, aus Dingen, die man tun mußte, ordnen, wegschließen, fertigmachen. Ein Schweigen wie beim Tischgebet. So stumm kam er ihr sehr wirklich vor. Wenn er schwer mit den Fersen zuerst auftrat und viel größer wirkte, als er war. Die Fußböden bebten, wenn er in ihrem gemieteten Haus barfuß ging ... als setze er die Fußsohlen absichtlich hart auf, um sich zu verletzen. Diese seltsame Verletzlichkeit, die Schwachheit der Ferse: nichts Mythisches, etwas Physisches. Traf das nicht auf alles zu? In Florida hatten sie sich angewöhnt, fast immer barfuß zu gehen. Vielleicht war es gefährlich: Spinnen und Schaben. Vielleicht auch Skorpione? Natürlich gab es auch Schlangen, aber nur draußen, selten in der Nähe von Häusern, selten in bewohnten Gegenden. Renée hatte ein paar große Schlangen gesehen, aber sie waren tot gewesen. Auf der Straße. Uberfahren, mehrere Male, ganz sicher tot, harmlos, weil sie tot waren, und doch konnte Renée nicht anders, als ihre platten, glattgewalzten Körper in heftigem, wirren Schrecken anzustarren. Du mußt drüberfahren, mußt sie überfahren! Was, wenn sie noch am Leben wären? Nein. Unmöglich. Manchmal streifte sie beim Fahren die Schuhe ab. Fuhr barfuß, den Fuß sicher auf dem Gaspedal. Es war ihr zuerst seltsam vorgekommen - sie hatte ihre Kindheit in einer teuren, aber schlecht geheizten Wohnung auf der Westseite von Manhattan verbracht, und im Sommer fuhren ihre Eltern meistens nach Maine, wo es so oft kalt und feucht war und der Strand voller Steine, so daß sie daran gewöhnt war, immer Schuhe zu tragen. Warum hast du deine Sachen noch nicht gepackt? Ungeduldig, ohne Schuhe auf dem dröhnenden Boden, schon ein wenig euphorisch. Sie waren dabei, zu entkommen. Befreit, ohne Fesseln, ohne Schuld. Sie ging in die Küche, wo er eine Tüte Milch austrank, in großen Schlucken hinunterstürzte. Er hatte keine Lust darauf. Aber er mochte nichts vergeuden: Lebensmittel, Kleidung, Seife, Papiertaschentücher. Immerhin waren sie arm. Es war demütigend, so arm zu sein. Zwar nur vorübergehend, aber immerhin ... Wie verbittert sie beide darüber waren, die Kaution von hundertfünfzig Dollar für ihr Reihenhaus zu verlieren. Evan trank die Milch und spülte die Tüte säuberlich aus. Er wollte wissen, ob der Seesack schon ganz voll sei? Und wie spät es sei, seine Uhr war stehengeblieben. Für die lange Fahrt nach Norden: Evan in Khakishorts und einem dünnen weißen Pullover, mit ausgeleiertem Ausschnitt und Ärmeln, die vom vielen Waschen die Form verloren hatten. Ziemlich muskulös um die Schultern und die Brust, aber dünne, blasse Beine; die Knöchel weiß und fast so schlank wie Renées. Lange, schmale, nervöse Füße, bloße Zehen, die die Linoleumplatten kneteten. Renée tat so, als bemerkte sie nichts. Sie sah ihn an und lächelte, und er lächelte zurück. Ich liebe dich. Ob sie am ersten Tag bis Lexington, Kentucky, kommen würden? Renée trug ein weites blaues Kleid ohne Ärmel. Die Sonne würde sicher auf ihre Haut brennen, aber schon der Gedanke an Stoff auf ihren Armen war unerträglich. Irgend etwas war mit ihrer Haut im Gesicht und an den Armen, vielleicht eine Reaktion auf das konzentrierte Licht in diesem Klima . . . Diese windlose, dichte, feuchte Hitze. Weißglühendes Sonnenlicht. Etwas, worüber sie sich in den Briefen an ihre Mutter beklagen konnte, etwas, wogegen zu protestieren erlaubt war. Diese erbarmungslose Hitze begann sie zu verwirren, als ob sie anzeigte, daß auch sonst etwas nicht in Ordnung war, etwas, das nicht nur ihr Leben betraf. War diese Hitze nicht beleidigend, entmenschlichend? Und die Abhängigkeit von den Klimaanlagen, von Maschinen, die ständig liefen, um die klebrige Hitze zu vertreiben., DE, [SC: 2.50], leichte Gebrauchsspuren, gewerbliches Angebot, 263, [GW: 390g], Banküberweisung, PayPal, Internationaler Versand, [CT: Romane/Erzählungen / Erzählungen]<

1978, ISBN: 9783421018632

[ED: Taschenbuch], [PU: DVA], DE, [SC: 2.35], leichte Gebrauchsspuren, gewerbliches Angebot, [GW: 365g], Banküberweisung, PayPal, Internationaler Versand, [CT: Romane/Erzählungen / Erzähl… Mehr…

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